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„Hatte keinen Bock mehr drauf.“: Lernwerkstatt gibt Schulverweigerern eine Chance

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„Ich habe mich schwer getan in der Schule und habe mich mit meinem Lehrer in die Haare bekommen. Das ist dann ausgeartet. Hatte keinen Bock mehr drauf, bin so gut wie gar nicht mehr in die Schule gegangen.“ Das erzählt der 17-jährige Emanuel über sein erstes halbes Jahr in der siebten Klasse. Dass er heute einen Schulabschluss in der Tasche hat, ist fast ein Wunder – und ganz bestimmt eine große Leistung von ihm. Die Lernwerkstatt der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) hat ihm dabei geholfen. Für Schulverweigerer wie Emanuel bietet die Einrichtung in Kooperation mit der Jakob-Muth-Schule spezielle Maßnahmen im Projekt „Ich schaff das“ an.

 

Was eigentlich passiert ist und warum er morgens nicht mehr aus dem Bett kam, das kann Emanuel selbst nicht so recht erklären:  Stress mit dem Lehrer, er fühlte sich verarscht und suchte häufig Streit. Er wollte einfach nicht mehr und ging ein halbes Jahr gar nicht mehr in die Schule. Ein Glück, dass Emanuel gemeinsam mit seiner Mutter nach einem Ausweg suchte und ihn schließlich fand. „Wichtig war mir, dass ich einen Abschluss kriege“, meint Emanuel.  Mittlerweile hat er dieses Ziel erreicht und freut sich schon darauf, eine Ausbildung zu beginnen. Im Herbst startet er wieder durch und will zuerst herausfinden, wo es beruflich hingehen soll. Dabei hilft ihm das Berufsbildungswerk der KJF in Abensberg im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Emanuels Ziel: dort eine Ausbildung zu beginnen. Heilerziehungspflegerin Irene Maier, Mitarbeiterin im Projekt „Ich schaff das“ bestätigt: „Emanuel ist auf einem guten Weg. Wir haben herausgefunden, dass er gerne kocht, vielleicht macht er ja eine Ausbildung zum Koch.“ Emanuel will sich allerdings noch nicht festlegen: „Jetzt schau‘ ich erst mal“, sagt er, „ich kann mir vieles vorstellen.“

 

 

„Hier hat man mir die Zeit gelassen, die ich brauchte.“

 

Wie Emanuel hat auch der 15-jährige Thomas in der Lernwerkstatt seine Chance genutzt. Sein Problem waren diffuse Ängste. „Ich weiß selbst nicht genau, wovor“, sagt er heute. Die Angst machte ihn krank und Schule? Das ging gar nicht mehr. Ausschlaggebend sei gewesen, dass er gemobbt wurde, erzählt Thomas. Monatelang war Thomas nicht mehr in der Schule, vier Schulwechsel hat er hinter sich. „Mama hat immer zu mir gehalten. Aber am Ende war der Druck so groß, denn ich wusste ja, ich soll in die Schule gehen, kann aber nicht“, schildert Thomas. „Ich hatte Angst, dass ich eingesperrt werde oder den Eltern weggenommen.“ In dieser Situation haben Thomas und seine Eltern wertvolle Hilfe erfahren. „Viele Ämter haben sich gekümmert“, sagt Thomas und die Sozialpädagogische Familienhilfe sei bei ihnen gewesen und hätte ihnen Tipps gegeben. Das hat den Weg in die Maßnahme der Lernwerkstatt für Schulverweigerer und -vermeider bereitet – zum großen Glück für Thomas. Dort läuft vieles anders als in der Schule. Zum Beispiel auch, dass die Schülerinnen und Schüler mitentscheiden was und wie lange sie lernen. „Hier hat man mir die Zeit gelassen, die ich brauchte“, so Thomas. „Wir haben mit einer Stunde angefangen.“

 

 

„Es ist hier um einiges gechillter.“

 

Was Emanuel so locker beschreibt, ist Teil des pädagogischen Konzepts für Schulverweigerer in der Lernwerkstatt. Allerdings geht es nicht darum zu „chillen“, sondern es zuzulassen, dass die Jugendlichen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Denn sie wissen selbst am besten, was geht und was nicht. „Wir fragen, was kannst du dir vorstellen – nicht mehr und nicht weniger“, beschreibt Heilerziehungspflegerin Irene Maier das Vorgehen. Es sei Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte, den jungen Leuten ein gutes Miteinander in der Gruppe und ein entspanntes Lernen ohne Druck zu ermöglichen. „Das braucht Geduld und liebevolle Konsequenz“, sagt Irene Maier. „Wir reden zum Beispiel darüber, wie viel zum Einstieg möglich ist. Zu viel würde zu vermeidendem Verhalten führen, zu wenig zu Langeweile.“

 

 

„Ich hab’s doch drauf.“

 

Thomas hat das für sich erkannt. Thomas sagt heute: „Ich habe einen festen Plan. Ich will den Quali schaffen. Das wird hier gut vorbereitet und ich kann als Externer an einer Schule den Quali mitschreiben.“ Thomas und Emanuel haben ein klares Ziel vor Augen und eine Perspektive. „Ein toller Erfolg“, bestätigt der Einrichtungsleiter der Lernwerkstatt Hubert Schmalhofer. „Die Fachkräfte hier im Hause arbeiten intensiv mit den jungen Leuten und ihren Eltern. Wir nehmen die Jugendlichen so an wie sie sind, mit ihren Ängsten und Zweifeln. Wir nehmen erstmal den Druck raus und versuchen so Blockaden abzubauen“, erklärt Schmalhofer weiter. Die Schwerpunkte der Maßnahme lägen in den Bereichen Unterricht, Berufsorientierung, individuelle Betreuung und Beratung. Ziel sei es, das Selbstvertrauen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu fördern. Sie sollen lernen, auf sich selbst zu vertrauen und zuversichtlich vorauszublicken. Das Handwerkszeug dafür liegt in der Vermittlung sozialer Kompetenzen, einer Steigerung der Leistungsmotivation wie auch in der Entwicklung positiver Lernhaltungen und Lernstrategien. „Entscheidend ist, dass die Eltern mitarbeiten“, stellt Schmalhofer heraus, „und je eher Familien das Problem angehen, desto besser.“

 

 

Weiterführende Informationen:

· Wenn Kinder und Jugendliche dauerhaft der Schule fernbleiben, spricht man von Schulverweigerung, wenn sie im Unterricht nur noch physisch anwesend sind, zum Beispiel ihre Hefte nicht dabei haben, nicht mehr aktiv beteiligt sind und massiv stören, dann gehören sie zur Gruppe der Schulvermeider.

· Die Lernwerkstatt der KJF und die Jakob-Muth-Schule in Regensburg kooperieren im Projekt „Ich schaff das“ für vollzeitschulpflichtige Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 7 bis 9, die als Schulverweigerer oder -vermeider gelten.

· Sonderpädagogen/innen der Jakob-Muth-Schule arbeiten mit Arbeits- und Sozialpädagogen/innen der Lernwerkstatt zusammen. Die Schülerinnen und Schüler werden in den Räumlichkeiten der Lernwerkstatt unterrichtet.

· Voraussetzung für eine Teilnahme im Projekt „Ich schaff das“ ist eine diagnostische Abklärung durch Fachkräfte, damit eine Finanzierung durch das Jugendamt erfolgen kann.



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