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"Sich immer wieder neu zu bemühen, vorhandene Gemeinsamkeiten tatsächlich zu leben, ist eine unerlässliche Aufgabe auf dem Weg der Ökumene." (Bischof Rudolf Voderholzer)

Was versteht man unter „Ökumene“? Wie können Christen verschiedener Konfessionen heutzutage miteinander den Glauben feiern und weitergeben? Und warum ist eine gespaltene Christenheit ein schlechtes Zeugnis für uns Christen? 

Ansprechpartner in unserem Bistum für Fragen zur Ökumene ist Prof. Dr. Christoph Binninger, Ökumenebeauftragter und Leiter der Ökumenekommission.

Im Angesicht der Stunde seines Leidens betete Jesus Christus für seine Apostel und Jünger, dass „alle eins seien, wie du, Vater, in mir, und ich in dir, daß auch sie in uns eins seien: damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17, 21).
Diese von Christus erbetene und im Ursprung auch verwirklichte Einheit seiner Kirche, als diese „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4, 32) war, verdunkelte sich im Laufe der Jahrhunderte und führte – neben vielen kleineren kirchlichen Abspaltungen – schließlich zu den beiden großen Kirchenspaltungen, die bis in die Gegenwart andauern:


Morgenländisches Schisma (1054): Die Trennung zwischen lateinischer Kirche des Westens und der „orthodoxen“, griechischen Kirche des Ostens, die Griechenland sowie das damalige byzantinische Reich umfasste.

 

Reformation und katholische Reform (1517-1555): Die innerhalb der Kirche des Westens sich (mitunter äußerst gewaltsam) vollzogene Konfessionalisierung und Herausbildung von römisch-katholischer und den aus der Reformation hervorgegangenen kirchlichen Gemeinschaften (z.B. reformiert, evangelisch-lutherisch, anglikanisch, täuferisch).

 

Bereits die Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils betonten mit Nachdruck, welchen Skandal die Kirchenspaltung de facto für die gesamte Christenheit bedeutet: „Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.“  (Siehe Dekret Unitatis Redintegratio über den Ökumenismus, Nr. 1). 


Die wichtigste Aufgabe der ökumenischen Bewegung im 21. Jahrhundert ist deshalb umso mehr die „Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft, der plena communio im Bekenntnis, im sakramentalen-liturgischen Leben und in den Elementen, die konstitutiv sind für die Verfassung der sichtbaren Kirche.“ (Gerhard Ludwig Müller: Laudatio auf Bischof Johannes Friedrich, 2011)

Aufbruch zur Ökumene im 20. Jahrhundert

Bereits vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil begann nach Jahrhunderten der Distanz und teilweise offener Feindseligkeit zwischen den einzelnen christlichen Konfessionen Anfang des 20. Jahrhunderts das, was heute als „Ökumene“ bezeichnet wird: Nämlich das Anstreben einer weltweiten Zusammenarbeit mit dem langfristigen Ziel der Einigung der verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Als Beginn der ökumenischen Bewegung wird die Weltmissionskonferenz in Edinburgh im Jahre 1910 angesehen.

Drei Grundziele waren bestimmend: Gemeinsames Handeln in der Mission, Einheit in der Verkündigung von Jesus Christus, gemeinsamer Dienst an der Welt. Die Bewegung wird heute u. a. durch den 1948 gegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen vertreten, dem die katholische Kirche als Gast angehört. Ihm gehören derzeit 349 Kirchen beziehungsweise kirchliche Gemeinschaften aus mehr als 120 Ländern an.
 

Die Hinwendung der katholischen Kirche zur Ökumene

Innerhalb der katholischen Kirche bedeuteten vor allem die während des 2. Vatikanischen Konzils (1962-1965) verabschiedete dogmatische Konstitution Lumen gentium sowie die damit verbundenen Dekrete über den Ökumenismus (Unitatis redintegratio) und über die Ostkirchen (Orientalium Ecclesiarium) einen wichtigen Schritt zur Annäherung an die orthodoxen und evangelischen Christen.

Die Päpste Paul VI. (Ecclesiam Suam, 1964) sowie Johannes Paul II. (Ut unum sint, 1995) vertieften das katholische Kirchen- und Ökumeneverständnis, ergänzt durch Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre (Mysterium Ecclesiae (1973); Communionis notio (1992); Dominus Iesus (2000) sowie Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche (2007)) und vor allem durch das "Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus" des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen (1993).

Die katholische Kirche hat im Konzilsdekret Unitatis redintegratio die „katholischen Prinzipien des Ökumenismus“  und die unumkehrbare, „praktische Verwirklichung des Ökumenismus“ festgelegt. Sie spricht den übrigen Konfessionen volle oder teilweise Teilhabe an der authentischen Kirche Christi zu.

Im katholischen Sinn setzt die volle Kirchlichkeit insbesondere zum einen  die Existenz des Bischofsamtes in Nachfolge zu den Aposteln (apostolische Sukzession) und zum anderen die von eben diesen geweihten Bischöfen und Priestern in der Gemeinschaft der Gläubigen gültig gefeierte Eucharistie voraus (wie sie aus katholischer Perspektive in den Kirchen der Orthodoxie auch gegeben ist). Konfessionen, denen diese Merkmale fehlen, werden sowohl im Konzilsdekret Unitatis redintegratio als auch im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil in amtlichen Dokumenten nicht als Kirchen im vollen Sinn, sondern als „kirchliche Gemeinschaften“ bezeichnet.

Das gilt vor allem für die evangelischen Kirchen, die sich in der Reformationszeit ohne das historische Bischofsamt strukturierten bzw. denen wegen der Trennung vom Papsttum nach römisch-katholischer Auffassung die volle Apostolizität verloren ging. Diese Aussagen sorgen gelegentlich für Spannungen, ebenso jedoch für Klarheit im ökumenischen Dialog.

Auf „lokaler“ Ebene zählen seit den 1960er Jahren konfessionsübergreifende Gottesdienste; Bibel-, Gebets- und Gesprächskreise; Begegnungen und Gemeindefeste; auf Kirchenleitungsebene theologische Konsultationen; gemeinsame Erklärungen zu gesellschaftlichen Themen und gemeinsames diakonisches und caritatives Handeln zu den Früchten der bisherigen ökumenischen Bestrebungen.

 

Zur Verständigung zwischen katholischen und orthodoxen Christen leistet das im September 2016 errichtete Ostkircheninstitut der Diözese Regensburg einen wichtigen Beitrag.


Die Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK)  und in Bayern begehen alljährlich gemeinsam am ersten Freitag im September einen ökumenischen Tag der Schöpfung. Außerdem veranstalten der Deutsche Evangelische Kirchentag und das Zentralkomittee der deutschen Katholiken den Ökumenischen Kirchentag, der erstmals 2003 in Berlin und 2010 in München stattfand. Der nächste Ökumenische Kirchentag wird 2019 stattfinden. 

Auf „weltkirchlicher Ebene“ zählen die gegenseitige Aufhebung der seit 1054 bestehenden Bannflüche  zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Rom (1964 durchgeführt von Patriarch Athinagoras von Konstantinopel und Papst Paul VI.) sowie die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (1999) zwischen katholischer Kirche, lutherischem Weltbund und dem Weltrat methodistischer Kirchen zu wichtigen Meilensteinen der ökumenischen Bewegung.


Eine im Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (Nr. 94) als wünschenswert in Aussicht gestellte wechselseitige Anerkennung der Taufe zwischen Katholiken und Protestanten wurde für Deutschland 2007 vollzogen. Und vor allem während des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) kam es außerdem zu einer spürbar verbesserten Atmosphäre zwischen Katholiken und Orthodoxen, welches unter anderem dazu führte, dass zur Amtseinführung von Papst Franziskus erstmals seit dem Schisma von 1054 der Patriarch von Konstantinopel und „primus inter pares“ der Orthodoxie, Bartholomäus I.,  anwesend war. Seit 2015 begehen Katholiken und Orthodoxe alljährlich am 1. September den "Gebetstag zur Bewahrung der Schöpfung".

Klärungsbedarf besteht zwischen katholischen und orthodoxen Christen einerseits und evangelischen Christen andererseits im Amts- und Eucharistieverständnis sowie generell in der Auffassung von den Sakramenten und der Verehrung Mariens wie der Heiligen. Ebenso wird der Primat des Bischofs von Rom bzw. das Petrusamt auf katholischer Seite anders gesehen als auf orthodoxer und protestantischer Seite. Eine Ausweitung des ökumenischen Dialogs stellt das Hinzutreten freikirchlich, evangelikal oder pfingstlerisch geprägter Christen zum ökumenischen Dialogprozess dar.