News Bild „Böhmen ist auch ein Stück Heimat für mich!“ – Gespräch mit Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zum Thema „Heimat im Herzen Europas“

„Böhmen ist auch ein Stück Heimat für mich!“ – Gespräch mit Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zum Thema „Heimat im Herzen Europas“

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Mehrere Heimatorte im Laufe des Lebens

Bezugnehmend auf das Veranstaltungsthema „Ja zur Heimat im Herzen Europas“ galt die erste Frage Pfarrer Kruschinas dem Aspekt „Heimat“. Für den Bischof ist Heimat vor allem der Ort, wo man geachtet und aufgenommen wird. Dementsprechend gibt es in seiner Vita mehrere Orte, mit denen er Heimat verknüpft: München als Stadt der Geburt, des Aufwachsens sowie der Schule und des Studiums. Dann aber auch die Gegend bei Wasserburg, wo sich seine Mutter nach der Vertreibung niederließ, sowie die Stationen der akademischen Laufbahn: Fribourg in der Schweiz und das Ruwer-Tal bei Trier. „Als Bischof von Regensburg ist natürlich Regensburg mein Daheim.“ Anders sei es mit der Heimat seiner Großmutter und Mutter. „Sie wussten, sie können dort nicht hin, wo sie herkamen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war zwar eine Reise dorthin wieder möglich, nicht aber, die Zelte dort aufzuschlagen. Das bringt Schmerz, Wehmut und Trauer über die verlorene Heimat mit sich. Daher ist auch Böhmen ein Stück Heimat für mich“, erklärte der Bischof. Besonders Kladrau, die Heimat seiner Mutter, und Waltsch, der Heimatort seines Religionslehrers Pater Victricius Berndt, sind für ihn ebenso vertraute Orte der Heimat geworden.

 

Reflexion über sudetendeutsche Heimat durch Kapuzinerpater Victricius Berndt

Von Regionaldekan Kruschina gefragt nach der geistlichen Heimat, kam Bischof Rudolf auf den ihn stark prägenden Religionslehrer Pater Victricius Berndt, der zur Prager Provinz der Kapuziner gehörte und auch das Schicksal der Vertreibung erdulden musste. Ende der 1960er-Jahre kam der Kapuziner als Religionslehrer ans Dante-Gymnasium nach München „Er hielt einen großartigen Religionsunterricht und war eine Autorität im Lehrerkollegium. Er regte zur Glaubensreflexion an, somit konnte man seinen Platz in der Kirche finden. Auch die Reflexion meiner sudetendeutschen Herkunft wurde durch ihn möglich. Ohne die Begegnung mit ihm wäre mein Leben wohl anders verlaufen“, blickte der Oberhirte zurück.

Nationalismus als Ursache der Katastrophen des 20. Jahrhunderts

Im nächsten Fragenblock vertiefte Pfarrer Kruschina das Thema „Vertreibung“ bzw. deren Ursachen. „Seelsorger müssen nahe an den Menschen sein, was sie bewegt, aber auch das große Ganze des Weltgeschehens im Blick haben“, tastete sich Bischof Rudolf an die Thematik heran. Schnell kam er auf die „problematische Bedeutung des Nationalismus“, dessen Beginn er im 19. Jahrhundert verortet. Der Erste Weltkrieg als „Urkatastrophe für Europa“, der Vertrag von Versailles und dessen Folgen hätten dann zum Zweiten Weltkrieg mit den bekannten Konsequenzen geführt. Nochmals auf Pater Victricius Berndt eingehend wies der Bischof auf dessen europäische Haltung hin, die den jetzigen Regensburger Bischof ebenfalls geprägt hat.

 

„Eine vitale Kirche ist ein großer Segen für Europa“

Als nächstes schnitt der Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerks den Komplex „Glaube und Streukraft in Europa“ an, auch vor dem Hintergrund früherer überregional agierender Bischöfe bzw. Missionare wie Emmeram, Wolfgang und Bonifatius. Bischof Voderholzer teilt die Sorge, „dass die Kirche an Ansehen und öffentlicher Geltung einbüßt“. Andererseits seien die Gestaltungselemente so gewaltig, dass viele Menschen motiviert werden können. Zudem gebe es zahlreiche Zeugnisse aus verschiedenen Epochen der Baukunst – und zumindest in Europa könne in jeder Stadt Eucharistie gefeiert werden. Ferner wies Bischof Rudolf auf die sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft hin. Natürlich verschließt er nicht die Augen vor Entwicklungen in europäischen Ländern, wo zum Beispiel der Lebensschutz bedroht ist. „Ein Rückgang des Glaubens ist kein Segen für Europa. Eine vitale Kirche ist ein großer Segen für Europa“, sagte Bischof Voderholzer.

2018 erste Messe in tschechischer Sprache zelebriert

Weitere Themenkomplexe widmeten sich der Ökumene und den Sprachkompetenzen. Als großes Plus sieht Bischof Voderholzer die transnationale Ausrichtung der katholischen Kirche im Gegensatz zu den nationalen orthodoxen Kirchen bzw. den verschiedenen Ausprägungen der reformierten Kirchen. Zwei Dinge sind dem Bischof hier wichtig: keine weitere Spaltung und gemeinsames Gebet bzw. Pflege von Gesprächen und Kontakten. Und was die (tschechische) Sprache betrifft: Im letzten Jahr hat Bischof Voderholzer seine erste Messe in Tschechisch zelebriert. Doch er ist froh, mit den Pilsener Bischöfen František Radkovský und Tomáš Holub Amtsbrüder zu haben, die hervorragend Deutsch sprechen. Zum Schluss wies Bischof Rudolf darauf hin, dass unter den Sudetendeutschen auch viele Priester aktiv waren und sind, die mit dazu beigetragen hätten, die Hand zur Versöhnung zu reichen. „Vergeben heißt nicht vergessen, weil man die Geschichte kennt!“, so Bischof Voderholzer zum Abschluss des Gesprächs.



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