News Bild „Wir sind als Gemeinde verbunden“ – ein Interview mit Pfarrer Holger Kruschina

„Wir sind als Gemeinde verbunden“ – ein Interview mit Pfarrer Holger Kruschina

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Die aktuelle Corona-Krise stellt auch die Kirche auf eine Probe. Der gewohnte Gang zum Gottesdienst fällt aus, seelsorgliche Begegnungen sind nicht ohne weiteres möglich. Pfarrer Holger Kruschina aus Roding spricht im Interview über Möglichkeiten, den Glauben auch in dieser Zeit weiter zu leben und zu feiern.

Herr Pfarrer Kruschina, wie hat sich Ihr Alltag durch Corona verändert?

Der hat sich total umgestellt. Zum einen ist vieles weggefallen, was alltäglich und normal ist. Auf der anderen Seite sind viele Aufgaben dazugekommen: Ich verbringe sehr viel mehr Zeit am Computer, um die Homepage zu aktualisieren, den Newsletter zu erstellen, auf Emails zur reagieren, mit der Gemeinde in Kontakt zu bleiben und zu telefonieren. Aber ich feiere weiter die Gottesdienste und kann mir noch mehr Zeit für das Gebet nehmen.

Wie gestalten Sie nun das Pfarrleben?

Unsere Kirchen bleiben geöffnet. Die wollen wir bewusst offen halten: So kann man eine Kerze anzünden oder Fürbitten formulieren. Der Pfarrbrief ist für mich ein wichtiges Medium; den wird es weiter geben. Alle Pfarrbriefe, die in der Kirche liegen bleiben, stecke ich nun in die Briefkästen. Den Pfarrbrief gibt es auch online – bisher hatten ihn etwa 280 Menschen abonniert. Nun veröffentlichen wir jeden Tag einen Newsletter, den haben innerhalb weniger Tage 340 Menschen abonniert. Im Newsletter sind Anregungen zum Glauben oder zum Gebet. Dann filmen wir den Sonntagsgottesdienst und stellen ihn ins Netz. Nach der Frühmesse am Sonntag setzt ich das Allerheiligste aus: Die Menschen können dann am Vormittag vor dem Allerheiligsten beten – natürlich unter Beachtung aller staatlichen Vorgaben. Die Gläubigen sind zudem eingeladen, Karten zu gestalten, die wir in der Kirche aufhängen und damit ein Netz bilden. So zeigen wir: Wir sind eine lebendige Kirche. Man kann ein Bild auf diese Karte drucken, seinen Namen darauf schreiben oder einfach etwas auf die Karte malen.

Wie fühlt es sich für Sie an, den Gottesdienst alleine zu feiern?

Zum einen fühle ich ein Defizit. In einer solchen Messe fehlt etwas Wesentliches. Andererseits ist die Messe ein sehr stabiles Ritual. Es erinnert mich daran, dass die Menschen von der Ferne dabei sind. Man spürt im Herzen, dass man mit den Menschen verbunden ist.

Gerade über das Internet kann man heute leicht Menschen erreichen. Für ältere Gläubige ist das aber oft schwierig oder ungewohnt. Wie erreichen Sie die?

Die älteren Menschen lesen in der Regel unsere Tageszeitungen. Ich arbeite hier sehr gut mit den beiden Tageszeitungen zusammen. Die veröffentlichen zum Teil komplett oder in Auszügen Texte von mir. Wir arbeiten gerade auch daran, Andachten in der Zeitung zu veröffentlichen. Die älteren Menschen sollen und können das Haus nicht verlassen – ich darf und soll zu deren Schutz aber auch keine Hausbesuche machen. Es bleiben nur zwei Wege: die Printmedien und Telefongespräche. Meine Gemeinde besteht aus 8.000 Gläubigen, d.h. ich kann leider nicht jeden anrufen. Ich versuche aber, die übrige Gemeinde auf Menschen in der Nachbarschaft aufmerksam zu machen, die einsam sind und sich über einen Anruf freuen. Andere Initiativen machen das ja auch, indem sie Menschen etwa durch Einkäufe unterstützen.

Immer wieder hört man auch Kritik: Die Kirche hätte weiter öffentliche Gottesdienste feiern oder zumindest auf entsprechende Regelungen hinwirken müssen. Was sagen Sie dazu?

Wir sind Teil dieser Gesellschaft. Wir versuchen Stück für Stück eine einheitliche Linie zu fahren, damit sich niemand benachteiligt fühlt. So ist es auch in der Kirche. Wenn ich die Kirche für 100 Leute öffne, stellt mich das vor weitere Probleme. Am Wochenende kommen hier regelmäßig etwa 1.500 Gläubige in die Kirche. Wie wähle ich da aus? Wer darf kommen, wer nicht? Da ist mir die Inklusivität jetzt die wichtigere Lösung. Es geht darum, allen zu zeigen: Wir sind als Gemeinde verbunden. Für die Kirche ein Sonderrecht einzufordern, halte ich für schwierig. Kirchen und Moscheen dürfen ja weiter privat besucht werden – ich würde mir wünschen, dass wir das deutlicher bekannt machen.

Die Kirche soll an der Seite der notleidenden Menschen sein. Das lässt sich dieser Tage nicht in der gewohnten Form umsetzen. Wie stellen Sie trotzdem die Seelsorge sicher?

Das Heil der Seelen ist unsere wichtigste Aufgabe. Es gibt mehrere Komponenten, wie wir dieses Heil erreichen können. Einerseits ist da die soziale Komponente durch Gespräche und Besuche. Die ist momentan sehr eingeschränkt. Wenn nun aber jemand die Kommunion wünscht, weil es ihm sehr schlecht geht, fühle ich mich dazu verpflichtet, ihm die Kommunion auch zu bringen. Gleiches gilt für die Krankensalbung und das Bußsakrament, selbstverständlich unter Einhaltung aller Hygienevorschriften und Vorsichtsmaßnahmen. Auf der anderen Seite steht aber auch die intensive Verbindung im Gebet. Wir kommunizieren das: Wir sind mit Ihnen im Gebet verbunden. Gott kann die Präsenz im Herzen der Menschen bewirken. Ich glaube, es gibt viele ältere Menschen, die diese Situation nicht gesteigert wahrnehmen – weil sie ohnehin schon seit Jahren zu Hause bleiben müssen. Aber gerade für jüngere Menschen ändert sich nun die Welt radikal und bricht vielleicht sogar zusammen.

Ich habe dieser Tage einige sehr schöne Rückmeldungen bekommen. Menschen haben gesagt: Wir haben uns tatsächlich das erste Mal zuhause zusammengesetzt und gebetet. Und weil es so schön war, haben wir es am nächsten Tag gleich wieder gemacht. Das häusliche Gebet ist oft nicht stark verankert – aber das bricht jetzt auf. In unserer Kirche, per Post und per Email kann man uns nun auch Gebetsanliegen schicken. Wir nehmen die mit auf den Altar, wie man das sonst mit dem Kollektenkorb macht. Ich will diese Anliegen dann auch dem Osterfeuer und damit dem Licht und der Liebe Gottes übergeben.



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