News Bild Erziehung zu einem aufrechten Christentum. Mary Wards Charisma glüht weiter: Mädchen für ihren Lebensweg fit machen

Erziehung zu einem aufrechten Christentum. Mary Wards Charisma glüht weiter: Mädchen für ihren Lebensweg fit machen

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Mary Wards Grab gibt es nicht. Aber es gibt ihren Grabstein. Und ihr Vermächtnis. Die Beschreibung ihres Lebens, die dem Stein eingraviert wurde, ist vorsichtig formuliert. Denn in Zeiten des Englischen Bürgerkriegs (1642-1651) war es gefährlich, den katholischen Glauben zu bekennen. Mary Wards Vermächtnis aber rüttelt heute weiter auf: der Einsatz für die Würde der Mädchen und Frauen, auch in der Kirche.

Den Mädchen, die an diesem Dienstagvormittag im Religionsunterricht der Marien-Schulen in Regensburg sitzen, sagt Sr. Oberin M. Dolores Kroiß, was an der couragierten Engländerin fasziniert und warum sie ihr nachfolgt: Sie hat sich ihr Anliegen zu eigen gemacht, dass junge Mädchen fit werden für ihren Lebensweg. Der 23. Januar ist der Geburtstag der Mary Ward. Eine Woche später, am 30. Januar, ist ihr Todestag. Geboren wurde sie 1585, 1645 starb sie im Alter von 60 Jahren. Die Tage im Januar sind nun der Anlass für die Schwester, sieben 5. Klassen an den Marien-Schulen zu besuchen und ihr Vorbild vorzustellen: Mary Ward. 2018 wird ihre Schwesterngemeinschaft Regensburg nach über 100 Jahren verlassen. Was bleibt dann von der großen Engländerin? Wie geht es mit ihrem Vermächtnis weiter?

 

"Schäm dich! Wo bleibt dein Gottvertrauen?"


Frei steht Sr. Dolores in der Gymnasialklasse 5d vor 25 Schülerinnen. Frei auch spricht sie. Es ist die Religionsstunde von Domvikar Andreas Albert, der der Schwesterngemeinschaft in Regensburg seit 20 Jahren verbunden ist. Mit den Worten "Die Frau Oberin ist eine echte Englische" stellt er Sr. Dolores der Klasse vor. Auf der Tafel hat diese ein Porträt der Mary Ward aus England angebracht. Sofort fühlen die Schülerinnen, dass sie es mit einer besonderen Person zu tun haben. Die Oberin erzählt: Unter unmenschlichen Bedingungen saß sie in einem Münchner Gefängnis. Mit Zitronensaft schrieb sie Briefe. Zu einer zaudernden Mitstreiterin sagte sie: "Schäm dich! Wo bleibt dein Gottvertrauen?"

Die Adlige Mary Ward hatte sehr ausgedehnte Fußwege zu bestehen. Wiederholt führte sie der Weg über die Alpen nach Rom – und zurück. Auf einem Bild bestaunen die Schülerinnen den Hut, den Stab und die Schuhe der Frau, die immer wieder quer durch Europa laufen musste: zunächst auf der Flucht vor antikatholischer Verfolgung in ihrer Heimat, dann auf dem Weg zum Papst nach Rom, mit apostolischem Eifer von Hauptstadt zu Hauptstadt, von Misserfolg zu Erfolg und dann wieder zu Misserfolg. Auf und ab ging es, aufgegeben hat sie nicht, sondern stets betont, dass auch Frauen Gaben haben. Gegen Stimmen, die das ablehnten, hat sie sich ganz heftig gewehrt. Das berichtet Sr. Dolores.

 

Im Winter funktionierte das Pulver nicht


Hätte die englische Adlige gezaudert und gezögert, sie hätte all das nicht hinbekommen. Aber Mary war alles andere als eine Zauderin. Als es ihr einmal zu lange dauerte, bis ihre Botschaft den Papst erreicht hätte, habe sie "den Stier bei den Hörnern gepackt". So sagt Sr. Dolores. Mary ging selbst über die verschneiten Alpen. Es waren Kriegszeiten, im Winter funktionierte das Pulver nicht. Diese Wege zu gehen war deshalb weniger gefährlich. "Bei den Hörnern packen" nennt Sr. Dolores diese beherzte Aktion, von deren Sorte es übrigens viele gab im Leben der Mary Ward. Die innere Glut der Sr. Dolores ist unaufdringlich, aber genauso erwärmend. Nicht nur weist sie auf das geistliche Leben der Engländerin hin. Sie selbst ist davon durchdrungen und brennt. "Es muss für die Frauen etwas getan werden", bringt sie Mary Wards Anliegen – und das der Schwestern – auf den Punkt. Dolores selbst ist nicht gerade wenig herumgekommen. Aus Deggendorf führte sie der Weg nach München-Nymphenburg, dann nach Bad Reichenhall, Berg am Laim und Landau in der Pfalz. Sie war in München Pasing und jetzt ist sie in Regensburg, wo sie die Kommunität in der Helenenstraße leitet.

 

Die Zugangswege haben sich geändert


Sr. Dolores war schon als Lehrerin tätig. Bei einigen ihrer Sendungen wirkte sie in der Verwaltung, bei anderen wiederum in der Orga. Und in Bad Reichenhall ging sie in die Pfarrei. Die Schülerinnen sind neugierig, wollen mehr wissen. "Warum kommen keine Schwestern mehr zu euch?", fragt ein Mädchen. "Das frage ich euch!", erwidert die Ordensfrau herzhaft und doch auch behutsam. Immerhin kommen Frauen, wenn auch einzeln. Die Zugangswege haben sich geändert. Nachkommende Schwestern bringen anderes mit, berichtet Sr. Dolores. Sie sind Juristinnen und Psychologinnen. Eine Schwester arbeitet in Medien. Was Schwestern den ganzen Tag so machen, will eine Schülerin wissen. Sr. Dolores berichtet vom Alltag der Gemeinschaft: "Wenn Fußball kommt, muss ich das anschauen", erzählt sie. Auch sagt sie: "Der Gottesdienst ist für uns eine Kraftquelle, aus der wir leben." Schülerinnen tuscheln, als es um den Fußball geht. Als die Schwester Oberin vom Gottesdienst spricht, herrscht konzentrierte Stille.

2018 bedeutet den Abschied der Englischen aus der Domstadt nach mehr als 100 Jahren. Schwester Sieglinde Schneider spricht vom "großen Glück" und meint damit die Tatsache, dass alle Schulen gut weitergeführt werden. So sagt es die gebürtige Regensburgerin, die derzeit das Haus ihrer Gemeinschaft in München-Pasing leitet. Von 1975 bis 2011 war sie am Mariengymnasium in Regensburg tätig. Sr. Sieglinde besuchte die Grundschule in der Regensburger Helenenstraße, dann das Gymnasium. Nach dem Abitur 1966 trat sie in die Gemeinschaft ein. Sie studierte Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für das Lehramt an Gymnasien. Nach dem Referendariat kehrte sie 1975 ans Marien-Gymnasium zurück, wo sie dann bis 2011 unterrichtete.

"Natürlich waren wir Ordensfrauen in der Schule schon eine Anfrage an sich", weiß Sr. Sieglinde. Das wertvolle Vermächtnis der Mary Ward lässt sich, sagt sie, im Religionsunterricht und im Geschichtsunterricht auch heute sehr gut vermitteln und weitergeben. "Da bestehen durchaus Möglichkeiten", erklärt die beliebte Ordensfrau und macht auf den geistlichen Religionslehrer Domvikar Andreas Albert aufmerksam. Seit Jahrzehnten wirkt er an der Schule in Regensburg. Er hat sich intensiv mit Mary Wards Spiritualität auseinandergesetzt und kann davon viel einbringen.

 

Der Eindruck: Es brechen neue Perspektiven hervor


Ein starker Eindruck: An Orten, an denen die Sendung der Schwestern endet, brechen neue Perspektiven hervor: In Landau in der Pfalz bilden frühere Schülerinnen, Kolleginnen und Kollegen den Maria-Ward-Kreis. Ziel: den Geist der großen Engländerin weitertragen. Wieder an anderen Orten bilden die Nachfolgerinnen der mutigen Durchquererin des Kontinents zunehmend kleine Gemeinschaften. Sagt Sr. Sieglinde und verweist auf die Slowakei, wo zwei oder drei Schwestern Gemeinschaft sind. In Pressburg eiferten Frauen Mary Ward schon zu ihren Zeiten nach.

Gute Lösungen sind gefunden, was die Zukunft der Schulen und ihre wertvollen Traditionen betrifft. Diözesane Träger wie Schulstiftungen sorgen im deutschen Sprachraum dafür, dass es weitergeht. In Augsburg gibt es seit rund 20 Jahren das "Zentrum Maria Ward", das als Multiplikator wirkt. Das berichtet Provinzoberin Sr. Sabine Adam. Was die Weitergabe des Vermächtnisses im Rahmen der Schulen betrifft, so gibt es eigene Lehrerfortbildungen und Schulleitertagungen. Es geht um Vernetzung, Schüleraufenthalte in York sowie Pilgerreisen nach England oder Rom. Und es geht um den Pilgerweg, der in Lüttich beginnt, wo Mary Ward angefangen hat. Ein eigener "Stand der Mary-Ward-Gefährtinnen" vereint Frauen, die in ihrem Geist leben möchten. Unter den genannten Einrichtungen wird kommuniziert, um als Multiplikatoren zu wirken. So beschreibt das die Provinzoberin.

 

Was dient dem Menschen mehr?


Die Gemeinschaft in der Nachfolge Mary Wards nennt sich heute Congregatio Jesu. Ein Charisma sieht die Congregatio weiter in der besonderen Förderung der Mädchen, sagt Sr. Sabine Adam. Zu ihren Anliegen gehören auch die Aufmerksamkeit für Benachteiligte und die Unterscheidung der Geister. Die "Geister zu unterscheiden" bedeutet, vor einer Entscheidung zu fragen, was dem Menschen mehr dient. Den Schwestern geht es bis heute um die Erziehung zu einem aufrechten Christentum; darum, sich über den eigenen Standpunkt klar zu werden und dann auch so mutig zu sein, ihn öffentlich zu vertreten.

Die Religionsstunde mit dem Besuch von Sr. Dolores ist mittlerweile zu Ende. Gruppenbild mit Ordensschwester. Die Mädchen packen ihre Sachen und verlassen emsig das Klassenzimmer. Sr. Dolores nimmt das Porträtbild Mary Wards von der Tafel und geht in ihre Gemeinschaft im Nachbargebäude zurück. Die Post ist zu bearbeiten, wie sie es zuvor den Schülerinnen berichtet hat. Läuft heute ein Fußballspiel, so wird sie es sicher anschauen. Vor allem aber: Ohne Gottesdienst geht es an keinem Tag. Denn der ist die Kraftquelle.



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