News Bild Seltener Blick in die Logistik einer Jahreskrippe mit dynamischer Stille: Wenn Pöllmanns aus Schwandorf Maria vom Berge Karmel zum Leben erwecken

Seltener Blick in die Logistik einer Jahreskrippe mit dynamischer Stille: Wenn Pöllmanns aus Schwandorf Maria vom Berge Karmel zum Leben erwecken

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Eine ganze kleine Welt tut sich hinter der Holztüre auf. Diese Welt ist still, im Ausdruck aber umso dynamischer. Gleich rechts hinter den schweren Portalflügeln der von Regensburgern vielbesuchten Beicht- und Anbetungskirche St. Josef steht unaufdringlich, aber unübersehen die Jahreskrippe. Die Türe mit dem Schaufenster aus Glas davor ist jetzt sperrangelweit geöffnet. Das Holzpodest für potentiell augenhungrige Kinder davor ist an die benachbarte Mauer geschoben. Die Szene der Jahreskrippe wird gerade nach allen Regeln der Kunst sowie nicht weniger der Erfahrung routiniert und doch hingebungsvoll umgebaut.

 

Der intime Vorgang des Umbaus

Spät am Nachmittag. Es ist der Freitag in der Mitte des laufenden Julis. Raimund und Christine Pöllmann sind eigens aus Schwandorf angefahren gekommen, um auf der Bühne dieser kleinen geistlichen Welt die Pfingstszene durch das Skapulierfest zu ersetzen. Die eine Welt folgt auf die andere, und Raimund Pöllmann nennt das schlicht „aufstellen“. Das massive Tor zur Karmeliterkirche St. Josef am Alten Kornmarkt ist verriegelt und draußen regnet es mittlerweile in Strömen. Drinnen aber vollzieht sich der intime Vorgang des Umbaus. Diese Welt hat ihre eigenen geistlichen Gesetze, bei der die praktisch-materielle Logistik unsichtbar bleibt. Heute aber tut sie sich ausnahmsweise einmal ein wenig auf …

 

Krippen-Spezialisten wird mit Duplo gedankt

Das Skapulierfest zwei Tage darauf, am Sonntag, 16. Juli, ist das Fest „Unserer Lieben Frau auf dem Berge Karmel“. Dass dieses geistliche Geschehen nun eingerichtet und vorgeführt wird, das freut den Karmelitenfrater Martin, und sein Gesicht hellt sich sehr auf. Er ist zwischenzeitlich aus dem Kloster gleich nebenan in die Kirche zu den Jahreskrippen-Spezialisten gekommen. Er dankt den beiden Schwandorfern mit Duplo-Riegeln. Das Ehepaar Pöllmann und Frater Martin kennen sich lange, sehr lange. 1975 hat Frater Martin Raimund Pöllmann gefragt, ob er „aufstellt“. Das war vor nicht weniger als 42 Jahren. Natürlich sind die Duplos vor allem symbolisch zu verstehen. Es zählen die unaufdringliche Anwesenheit und die wenigen und herzlichen Worte des Fraters, der sich nun dem Blumenschmuck in der barocken Kirche zuwendet.

 

Sie stehen unter ihrem besonderen Schutz

Für Sonntag sind noch mehr Blumen aufgestellt als sonst. Das Skapulierfest ist nämlich ein zentrales Fest der Karmeliten. Es geht auf eine Vision des heiligen Simon Stock zurück, eines englischen Generaloberen dieser Ordensgemeinschaft, der auch die heilige Teresa von Ávila und Edith Stein angehörten. Simon sei im Jahre 1251 die Gottesmutter Maria erschienen. Und in dieser Vision habe die „Liebe Frau auf dem Berge Karmel“, als die Maria für die Karmeliten wichtig ist, ein Skapulier in der Hand getragen und es dem Simon Stock gegeben – mit dem Versprechen, dass jeder, der es trägt, unter ihrem besonderen Schutz steht. Was ist ein Skapulier überhaupt? Es ist ein etwa brustbreites braunes Schultertuch, das über dem Ordensgewand getragen wird. Manche Gläubige, auch in Regensburg, tragen es in einer kleineren Variante auf der Brust.

 

Raimund Pöllmanns Philosophie ist bewährt

Vom 3. Juni bis zu diesem Freitag nun, sechs Wochen lang, zeigte die Jahreskrippe im Eingang der Karmelitenkirche die Herabkunft des Heiligen Geistes an Pfingsten. Im Verhältnis zu diesem pfingstlich-wimmelnden Menschenauflauf ist die Übergabe des Skapuliers ein intimer Moment mit nur drei Figuren: Gottesmutter mit Jesuskind und Simon Stock. Auch das eine Inszenierung, bei der es auf jedes Detail ankommt! Die Dynamik liegt jetzt nicht in der Vielfalt, sondern in der geistlichen Kommunikation zwischen Maria und Simon, wobei das göttliche Jesuskind das Geschehen bezeugt. Gleichbleiben tut der „Bau“, wie Herr Pöllmann den holzrahmengestützten Kasten aus Kartonwänden nennt. Bewährt hat sich übrigens auch Raimund Pöllmanns Philosophie, die darin besteht, den Hintergrund dieses Kartonkastens dunkler zu halten, um die geistliche Schau im vorderen Plan besser hervortreten zu lassen.

 

Glühbirnen schweben an sinnreichen Stäben

Siehe da! Jetzt sitzt Maria auf kringelig-runden Styroporwölkchen. Sie sind, wie Frau Pöllmann bemerkt, schon deshalb praktisch, weil man in anderen Situationen Nadeln ins Styropor stecken und damit etwas befestigen kann. Herr Pöllmann stellt die Figuren auf und drapiert sie. Er richtet die in der kleinen Kulisse lichtspendenden, aber sonst unsichtbaren Glühbirnen neu aus, die im Hintergrund des Karton-Baus an sinnreichen Holzstab-Konstruktionen schweben. Herr Pöllmann komponiert, Herr Pöllmann inszeniert. Er legt den Kopf schief und betrachtet. Zieht und zupft wieder und wieder an Beinen und Armen. Kommentiert leise und fragt seine Frau: „So recht?“

 

Aus Plastikreinigungsflasche nassgesprüht

Frau Pöllmann hat ihm den Simon Stock gereicht, den sie mit Gewändern ausgestattet hat. Aus der Hand Mariens, die ihren Sohn auf dem Arm hält, empfängt Ordensmann Stock in der geistlichen Miniaturwelt nun das Schultertuch der Karmeliten. Dieses Skapulier, das Karmeliten über dem Ordensgewand tragen, wird heute, am Sonntag, gefeiert, oder vielmehr noch der geistliche Gehalt, den er für die Karmeliten hat ... Für die Jahreskrippe hat Raimund Pöllmann einstweilen das taschentuchgroße Schultertuch mit Wasser aus einer weißen Plastikreinigungsflasche nassgesprüht. Mit Hingabe und geübten Fingerspitzen bringt er es zwischen Maria und Simon Stock ziehend und schiebend in Position. Trocknen wird es bis Sonntag aufgrund der Verdunstung. Zu diesem Zeitpunkt werden die Kleiderfalten ganz realistisch fallen und – es sind die dann trockenen Naturfasern! – guten Halt haben.

 

Terracotta, Lindenholz und Hanfartiges

Eine der Faszinationen des Christentums liegt darin, seine geistlichen Gehalte ganz handfest darstellen und verwirklichen zu können. Warum auch nicht? Ist nicht Gottes Einbruch in die Welt sehr handfest gewesen? Ist er es nicht heute auch? In längeren Gesprächen vor dem „Orlando di Lasso“ am Alten Kornmarkt habe ich bereits Wochen zuvor die Pöllmanns bei Tee und Mineralwasser gefragt, warum sie das alles eigentlich machen. „Wir haben Freude daran, etwas Kreatives zu tun und Szenen zum Leben zu erwecken.“ Genau das war ihre Antwort. Tatsächlich studiert Herr Raimund Pöllmann „sehr viele alte Vorlagen für die Krippen“, sagte damals seine Frau: „Es ist kein stummes Nachbauen, sondern es wird immer etwas anderes.“ Sie ist für die Kleidung der vielen Figuren zuständig. Er hat sie ebenso kunstvoll gestaltet: aus Terracotta die Köpfe, aus Lindenholz die Hände und Füße; der Körper ist Draht, den er mit Werg, einer Art Hanf, sonst zum Abdichten eingesetzt, umwickelt hat. Etwa 20 Jahre „Lebenszeit“ ist den Figuren gegeben, bevor die Materialien ermüden, ausleiern. Wie viele Personen es genau sind, weiß Christine Pöllmann nicht zu sagen: „Wir haben zwischen 150 und 170.“

 

Die Jünger liegen geduldig auf der Kirchenbank

Die Jünger der Pfingstszene, gleich zu Beginn der Arbeiten an diesem Freitag ausgewechselt, liegen geduldig auf dem Stoff der hintersten Bank in der Karmelitenkirche. Nachdem die Maria auf dem Styropor, das Jesuskind und Ordensoberer Stock auf der kleinen Bühne der Jahreskrippe in Dienst getreten sind, finden die Jünger ihre auch wieder nur vorläufige Ruhe in Schachteln und Kisten. Der Auftritt des Simon Stock bei der Skapulierübergabe wird bis zum 9. August dauern; dann werden Frau und Herr Pöllmann erneut aus Schwandorf anfahren und gemäß den eigenen Gesetzen dieser Welt im Herzen von Regensburg die Himmelfahrt Mariens aufstellen, ja inszenieren. Und dann wird womöglich die Zeit für die Jünger wieder gekommen sein.

 

Verdunstung des Glaubens wie des Wassers?

Jetzt legen Pöllmanns letzte Hand an. Schon hat sie die papierene Beschilderung ausgewechselt und in dem beleuchteten Erklärkasten befestigt. Sie denkt laut darüber nach, ob künftig die Erklärung der geistlichen Szenerien und Geheimnisse dahinter nicht ausführlicher sein sollte, zumal in Zeiten mancher Wissensverdunstung im Umbruch der Glaubensweitergabe. Er bewegt den Türflügel mit dem Schaufenster aus Glas in die gehörige Stellung zurück. Auch das Holzpodest wird an seinen angestammten Ort gehievt, damit sehfrohe Kinder die geistliche Welt mit ihren Augen einschlürfen können.

 

Am Sonntag dann bei schönstem Festwetter

Aufsteller und Beobachter schlüpfen flugs durchs große Flügeltor in den prasselnden Regen auf den Alten Kornmarkt, während das Wasser im kleinen braunen Skapulier in der jetzt noch stilleren Szene der Jahreskrippe schon zu verdunsten beginnt. Egal, am Sonntag scheint die Sonne vom hellblauen Himmel über Regensburg. Bei schönstem Festwetter streben die Gläubigen über den Alten Kornmarkt auf die schweren Holzflügel des Tores von St. Josef zu. Im Eingang begegnen sie Maria, dem Jesuskind und Simon Stock.



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