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Klaus Berger in memoriam

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Bischof Dr. Rudolf Voderholzer hat das Wirken des Theologen Klaus Berger gewürdigt. Der Neutestamentler war am vergangenen Montagabend, 8. Juni, im 79. Lebensjahr in Heidelberg überraschend verstorben. Bischof Voderholzer schreibt:

„Meine erste Begegnung mit Klaus Berger ist mir bleibend in Erinnerung. Er war eingeladen, im Rahmen einer Ringvorlesung im Wintersemester 1993/94 an der Uni München zum gerade auch auf Deutsch erschienenen ,Katechismus der Katholischen Kirche‘ die Sichtweise eines Exegeten vorzutragen. Gerade aus exegetischer Sicht war der Katechismus ja von Anfang an regelrecht zerrissen, sein Schriftgebrauch als vor-kritisch usw. niedergemacht worden. Klaus Berger begann autobiographisch. Es bewege ihn, so Berger, dass er in demselben Hörsaal, in dem er einst seinem Lehrer Otto Kuss an den Lippen gehangen sei, nun über den neuen Katechismus sprechen dürfe. Otto Kuss sei auch ein schwieriger Mensch gewesen. Er habe nicht nur die These seiner Dissertation für häretisch gehalten, sondern auch seine Priesterweihe verhindert. Umso mehr freue es ihn, Berger, nun im Katechismus seine damalige These bestätigt zu finden, dass nämlich die Lehre Jesu inhaltlich nicht über das im Alten Testament Mögliche hinausgehe. Das Neue sei eben Jesus selbst. „Aber Sie sehen“, so schloss Berger die Einleitung, ,wieder einmal hatte das gespannte Verhältnis von Lehramt und Exegese ein Opfer gefunden‘. Wer nun freilich mit einer nochmaligen Aufgipfelung der exegetischen Kritik am Katechismus gerechnet hatte, sah sich bald getäuscht.

 

Plädoyer für den Katechismus

Es kam ein flammendes Plädoyer für den Katechismus, dessen Schriftgebrauch durch die Einbeziehung von Liturgie und patristischer Auslegung den nur historisch-kritischen Zugang positiv ergänze. Für mich und mein Dissertationsprojekt war dies eine gewaltige Ermutigung. Seither verfolgte ich Klaus Bergers Publikationen, die ich immer anregend fand, ganz aktuell noch seine kleine Debatte mit Johanna Rahner in der Herder Korrespondenz. Dass er über seinem Zerwürfnis mit seinem Lehrer nicht verzweifelt und verbittert ist, sondern bis zuletzt ein kirchlich-kritischer, auch kritisch-selbstkritischer (vgl. Karl Barths Diktum!) Exeget geblieben ist, rechne ich ihm hoch an. Seine Stimme wird mir fehlen.“ Das teilte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer kürzlich in einem ersten Statement für die „Tagespost“ mit.

Es folgen Gedanken zu Prof. Klaus Berger, die bei der Arbeit am gemeinsamen Interviewband „Theologie als Abenteuer“ entstanden sind:

Viele Kontakte mit Regensburg

Auch mit dem Bistum Regensburg ist der renommierte Theologe Klaus Berger in vielfältiger Beziehung gestanden. Gesprochen hat er auf dem Katholikentag 2014. Mitglieder der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit hat er in Sachen Apokalypse des Johannes und Sinnhaftigkeit des Zölibats aufgeklärt. Der vielgereiste und vielreisende Theologe weilte öfter in Regensburg.

Berger, in Goslar aufgewachsen, hat es Zeit seines Lebens sehr bedauert, dass die Kathedrale dort, die aus dem 11. Jahrhundert stammte, im frühen 19. Jahrhundert abgerissen wurde, um Platz für eine Kaserne zu machen. Je mehr er sich in jugendlichen Jahren mit dem Goslarer Dom befasst hatte, desto mehr hatte sein Interesse an künstlerischen Darstellungen zugenommen – kein Wunder, dass sich Berger gerne im Umfeld der Regensburger Kathedrale aufhielt, zuletzt im vergangenen September, im Rahmen einer Feier im Restaurant Bischofshof. Dort auch hatte der hochgewachsene Theologe (der lange unter seiner Größe litt) vor einiger Zeit noch über den verhängnisvollen Einfluss philosophischer Strömungen auf die biblische Exegese gesprochen. Damals, im Römersaal des Restaurant Bischofshof, in dem keine einzige weitere Person mehr Platz gehabt hätte, teilte der leidenschaftlich rationale Berger nach einigen Seiten hin kräftig aus. Es ging um Martin Heidegger und Rudolf Bultmann und dessen Programm der Entmythologisierung.

 

Eine gewisse Angriffslust

Eine gewisse Angriffslust war Klaus Berger, nicht nur bei der Gelegenheit dieser „Philosophischen Soirée“ im Bischofshof-Römersaal, eigen. Das rührte daher, dass er die Sache der Theologie, ja des Evangeliums sehr ernst nahm, dass ihm das geistige Rüstzeug zur Erwiderung nicht fehlte und dass er in der Vergangenheit wiederholt angegriffen worden war, ohne dass er damit gerechnet hätte. Aber auch die Erwartung, sich in offenen Diskussionen bewähren zu dürfen, wurde immer wieder enttäuscht; was zu seiner öffentlich geäußerten Ansicht führte, dass es in der katholischen Theologie in Deutschland keine echten Diskussionen mehr geben würde. Klaus Berger hat nicht danach gesucht, sich beliebt zu machen.

Kritiker keilten gegen ihn (hinter vorgehaltener Hand) zurück, dass er Entwicklungen der biblischen Exegese kritisiere, die er selbst einst befeuert hatte. Das trifft teils zu. Dabei ist es jedoch empfehlenswert zu beachten, dass sich Exeget Berger in Jahrzehnten weiterentwickelt hatte. Mir scheinen diese weiteren Entwicklungen nicht künstlich, sondern würdigenswert angesichts der Tatsache, dass sie in großen Zügen ein Rückgriff auf Glauben und Wissensbestände waren, die sich Berger in frühen und fleißigen Jahren erworben und dann bewahrt hatte; die er nun aber umzuwandeln begann. An allererster Stelle betrifft dies die Liturgie, kaum weniger das Ordensleben, das er vor allem in den Verwirklichungen der Zisterzienser und der Dominikaner, nicht immer so sehr in den Darbietungen von Jesuiten schätzte.

 

Kindlichkeit und Scharfsinn

Menschen, die Klaus Berger, um es vorsichtig auszudrücken, nicht wohlgesonnen waren, mochten sich an ihm, d.h. seiner Offenheit, seinem intellektuellen Format und seiner überragenden Unbestechlichkeit reiben und stoßen. Was an ihm aber wohl noch mehr verblüffte und entwaffnend wirkte, war die ungewöhnliche Kombination aus einer Kindlichkeit, die sich an und in der Lehre der Kirche bergen wollte, und einem Scharfsinn, der alles in Bewegung setzen wollte, um diese alte und gleichzeitig junge kirchliche Lehre zu verdeutlichen und als den geeignetsten Schlüssel zum Verständnis unseres auf Vertrauen und Liebe aufgebauten Daseins zu präsentieren. Verfolgen wir nicht weiter die Betrachtung seiner Gegner und, leider auch, Feinde, die ihm das Leben schwermachten. Denn tatsächlich litt er unter ihnen, indem seine Sorge, erneut unangemessen öffentlich gerammt zu werden, manche seiner Überlegungen durchzog und erheblich auch seine Gefühle.

Klaus Berger setze dem wiederum seinen Humor entgegen, der derb sein konnte, immer aber gebildet war und phasenweise bis zum Komischen reichte. Deshalb schrieb er auch über Jesu Humor, den er etwa in dessen Ausspruch identifizierte, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr ... Berger war der „Löwe Peter“ am liebsten. Die Handpuppe trat jedenfalls während sich wie Kaugummi ziehender Unterhaltungen auf dem heimatlichen Sofa (in einer Wohnung voller Regale mit weltweit gesammelten Apokalypsen) hervor und gab, auf Bergers Hand gesteckt, seine Weltsicht zum Besten. Peinlich Berührendes wurde mit dem Lateinischen und weiteren Sprachen der Antike bemäntelt. Zwerchfellerschütterungen folgten, Lach-Erstickungsanfälle drohten. Es gab übrigens als Handpuppe auch einen lutherischen Pastor, der sich mit dem Teufel zankte, ersterer mit rotem Stiernacken. Der Protestantismus ist an Berger nicht spurlos vorübergegangen. Er nahm ihn, nicht zuletzt, mit Humor.

 

Luther war doch ein Eremit!

Dabei war der Exeget stolz, unter der Heidelberger theologischen Professorenschaft als einziger zu wissen, dass Dr. Martinus Luther, der ja dortselbst disputierte, einst ein Augustiner Eremit und kein Augustiner Chorherr gewesen war (wie alle anderen fälschlich angenommen hatten). Aber es war dies bei Klaus Berger ein offener Stolz, der in der diskutierenden Auseinandersetzung einen Wert und kein Feld mit Verletzungspotenzial sah. War Berger hier in seiner Konstitution als gerne kindlich Vertrauender wohl doch nicht ganz richtig gelegen, Diskussion nicht als Feld mit Verletzungsmöglichkeit zu sehen, wenigstens was den Stolz ihm im Geiste Unterlegener betrifft? Schwierig zu sagen.

Auf alle Fälle waren es seine glücklichsten Stunden, mit den jungen Menschen, die er bei der Dissertation begleitete, jeweils einzeln im echten Privatissimum über exegetischen Fragestellungen zu brüten und pädagogisch zu wirken. 60 Theologinnen und Theologen hat er auf dem Weg zum Doktortitel begleitet. Einer von ihnen trat noch am vergangenen 6. Dezember beim festlichen Abendessen in Heidelberg auf, nachdem Prof. Wolfgang H. Spindler OP von der Stiftung Humanum den Augustin-Bea-Preis an K. Berger verliehen hatte, mit dem einst Joseph Höffner, Hans Urs von Balthasar und Joseph Ratzinger ausgezeichnet worden waren. Der lustige akademische Schüler Bergers berichtete der Feiergesellschaft im „Europäischen Hof“ vom später dann veröffentlichten Jux-Anruf bei Berger, in dem sich ein angeblich künftiger Theologe aus der ehemaligem DDR von Professor Berger Rat erbat, was die Theologie betreffe ... Klaus Berger riet nach aller intellektuellen Durchdringung der Fragestellung, ob nun in Heidelberg oder Tübingen studieren, wiederholt mit ganz tiefer Stimme: Das Wichtigste aber ist – haben Sie keine Angst!

 

Hochgepushtes wird unwichtig

All das sind nur kleine Splitter, die Werk und Wirken des buchstäblich und metaphorisch großen Exegeten ein wenig beleuchten. „Wie ist die Luft da oben?“, wurde Berger als jung-erwachsener Zwei-Meter-Mann traditionell gefragt, was ihn damals verunsicherte. Wenn er sich, wie sicher auf dieser Welt kein Zweiter, in den vergangenen Jahren aber in den Gesamtzusammenhang der Apokalypse des Johannes vergraben hatte (u.a. auf Äthiopisch), um die Aktualität dieses letzten Buches der Heiligen Schriften hervorzuarbeiten, wird die Luft reichhaltig gewesen sein und alles andere als dünn. Vielen Menschen hat er den Glauben, biblisch begründet, erschlossen, und das in einer schwindelerregenden Vielfalt an Formaten: Übersetzungen, Abhandlungen, Popularschriften, Vorträgen (auch in Schloss Spindlhof) und Interviews. Die Theologie des Neuen Testaments hat er für alle, die nur wollten, aufgeschlossen, die Kirche sensibel verteidigt und Hochgepushtes als unwichtig vorgeführt sowie, im Gegensatz dazu, Übersehenes wie die Glocke als ganz zentrales Verkündigungsinstrument neu vor Augen gestellt. Als noch junger Mensch hatte Berger eine Sammlung von 5000 Glockeninschriften angelegt, wobei er die meisten davon erst noch erstiegen hatte.

„Gemessen am theologischen Niveau des Propheten Jesaja gibt es nicht so viele Autoren von Schriften des Neuen Testaments, die ihm das Wasser reichen könnten. Das Neue Testament ist in diesem Punkt ein wenig schwach, wenigstens relativ gesehen.“ Ein echter Berger – er sagte dies im Interview-Band „Theologie als Abenteuer“. Der Titel steht für sein Leben. Es lädt junge Menschen ein, es ihm gleichzutun.

Berührend war es zu erfahren, dass Klaus (Nikolaus) Berger am Schreibtisch über einer Arbeit zu Joachim von Fiore verstorben ist, die er schon seit langem abschließen hatte wollen. Gestorben ist er in einem Zimmer voller Apokalypsen. Und sie liebte er sehr.

Dr. Veit Neumann



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